Hanjo Lehmann - Die Truhen des Acrimboldo - Buch

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nach den Tagebüchern des Heinrich Wilhelm Lehmann
In den allergeheimsten Kellergewölben des Vatikans wird im Jahre 1848 der junge Schlosser Luigi Calandrelli verschüttet. Als er die Mauern seines Verlieses abklopft, stößt er auf eine mysteriöse Truhe mit siebenhundert Jahre alten Pergamenten - sorgsam verborgene Dokumente, die den Machtanspruch der römischen Kirche untergraben. Zwanzig Jahre später vertraut er einem befreundeten preußischen Ingenieur seine Aufzeichnungen über die damaligen Ereignisse an. Es entspinnt sich ein Netz von Intrigen und Machtkämpfen, dem der Leser atemlos folgt und das ihn immer tiefer eintauchen läßt in die Zeit der ersten Eisenbahnen.

»... eine anspruchsvoll-spannende Mixtur aus Historischem und Fiktivem, Politischem und Intimstem, wobei einem durchaus Bilder und Vergleiche aus Ecos
»Der Name der Rose« in den Sinn kommen können.«
(Thüringische Landeszeitung)

Dem Leiden des Salman Rushdie
und
den Opfern der römisch-pyromanischen Unfehlbarkeit
gewidmet
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Zeitlicher Rahmen des Handlungsteils aus der Zeit der Kreuzzüge:
1099
Das Kreuzfahrerheer unter Gottfried von Bouillon erobert Jerusalem. Im selben Jahr sterben Gottfried von Bouillon und Papst Urban II., Nachfolger wird Papst Paschalis II. (bis 1118).

1115
Bernhard von Clairvaux gründet die gleichnamige Abtei; ruft später zum neuen Kreuzzug und zum Krieg gegen die Albigenser auf.

1244
Ausrottung der Albigenser und Fall der Burg Montségur.

1309-1377
Erzwungener Aufenthalt der Päpste in Avignon (»Babylonische Gefangenschaft der Kirche«).

Nachwort des Herausgebers
Die letzte Eintragung im Tagebuch des Heinrich Wilhelm Lehmann ist datiert, aber sie enthält keinen Ort.
Das ist auch anderswo gelegentlich der Fall, doch läßt sich nur hier der Ort der Niederschrift nicht aus dem Zusammenhang erschließen. Diese Seiten sind auch in einer entsetzlichen Schrift aufs Papier gekritzelt, vermutlich im fahrenden Zug - das würde auch erklären, warum die Nennung eines Ortes fehlt.
Daß mir das Päckchen mit den Notizbüchern aus dem Berliner Umland zugeschickt wurde, scheint darauf hinzudeuten, daß der Autor von Rom aus die Reise nach Berlin angetreten hat. Doch hätte er dann die Brenner-Route nehmen müssen, und auf dieser legt der Zug beträchtliche Strecken im Tunnel zurück: von bloßen »Augenblicken« kann keine Rede sein. So scheint diese Formulierung doch darauf hinzudeuten, daß es der Zug nach Genua war, in dem der Verfasser von Rom aus fuhr.
Selbst wenn er die Schwärze der Tunnel sein »Zuhause« nennt, spüre ich in mir eine Hoffnung: daß hiermit vielleicht das wiederkehrende Bewußtsein des gelernten Eisenbahn-Ingenieurs gemeint ist, und daß für ihn von nun an wieder die Arbeit bei Eisenbahn und Tunnelbau in den Vordergrund rücken werde.
Auch wenn ich damit meine Rolle als Herausgeber überschreite - ich gestehe, daß ich ihm letzteres wünsche. Ja, innerlich flehe ich geradezu darum: daß es Genua war, wohin er fuhr, daß er das Schiff erreichte, und daß ihn die Klugheit Luisas, die Freundschaft Francescas, die Liebe Emilias bald wieder auf den Weg der Vernunft gebracht haben. Daß er in der Neuen Welt als tatkräftiger Mann und liebevoller Familienvater ein erfülltes, harmonisches Leben geführt hat.
Bleibt natürlich die Frage: wie hätten die Tagebücher dann von Amerika nach Berlin gelangen können? Spricht das nicht doch dafür, daß er in dem Zug saß, der ihn nach Berlin brachte? Andererseits: in diesem Fall hätte er den Wirren des blutigen Krieges wohl kaum entrinnen können.
Nein, ich bleibe dabei: es war der Zug nach Genua.
Dafür, so scheint mir, spricht auch ein weiterer Aspekt.
Denn wie eingangs erwähnt, befanden sich in dem Päckchen, das man mir übersandte, drei Notizbücher. Eines davon war offenbar einmal zerschnitten und später wieder zusammengefügt worden; es umfaßte den ersten Teil sowohl der Aufzeichnungen des Luigi Calandrelli, als auch des Tagebuches des Verfassers. Von den beiden anderen enthielt das eine die weiteren Aufzeichnungen Luigis, das andere das restliche Tagebuch.
Seinen eigenen Worten zufolge hat der Verfasser nicht nur die Übersetzung an Francesca Donati übergeben, sondern auch das Original seiner Rekonstruktion. Nun wäre es zwar möglich, daß Francesca oder Kinder von ihr die Notizbücher nach Deutschland gebracht hätten. Bedenkt man jedoch, daß diese Aufzeichnungen auch über die intimen Begegnungen zwischen Luigi und Luisa berichten - und die Tagebücher des Heinrich Lehmann auch über die Begegnungen mit Francesca - dann scheint dies so gut wie ausgeschlossen.
Nein: daß diese Notizbücher wieder nach Deutschland gelangt sind, scheint mir eine sicheres Indiz dafür zu sein, daß auch der Verfasser Amerika erreicht hat. Vielleicht ist er als alter Mann noch einmal nach Deutschland zurückgekehrt; oder es waren Kinder von ihm, die das Tagebuch mit nach Berlin brachten.
Wer will es wissen? Die Hoffnung bleibt.

Und was den Inhalt der hier vorgelegten Aufzeichnungen betrifft - nun, ich will nicht verschweigen, daß ich mir, während ich die Texte ordnete, auch meine eigenen Gedanken dazu gemacht habe. Ich sehe mich um: da lebe ich in einem Land, das von sich behauptet, gleiches Recht für Männer und Frauen zu gewährleisten. Aber die treuherzigen Behörden dieses Landes treiben Steuern ein für eine Kirche, in der keine Frau Priesterin oder Bischof werden kann; und das Land bezahlt auch noch an seinen eigenen Universitäten die Lehrstühle, wo die Rechtlosigkeit der Frau als göttlicher Wille gelehrt wird. Daß die Lehre der römischen Kirche, indem sie das Grundrecht der halben Bevölkerung mit Füßen tritt, verfassungswidrig ist, hat die blinde Justitia bisher wohl nur übersehen; sie wird, nunmehr darauf hingewiesen, diesen Mißstand gewiß bald energisch beheben.
Und ich sehe die Bilder vom Elend der Völker, und sehe die Bilder des purpurgeschmückten römischen Unheilsbringers, wie er schneller von Land zu Land fliegt als die Plagen des alten Ägypten, und wie er niederkniet und den Beton der Landebahnen küßt zum Zeichen der Besitzergreifung. Ich sehe ihn gigantische Kathedralen segnen, für deren Marmor Tausende verhungert sind. Da tritt er unter die Ärmsten der Armen, die weder Brot noch Wasser haben noch Haus und Herd, und die für das Feuer, auf dem sie ihre Fladen backen, in ihrer Not den letzten Busch in der Wüste abhacken. Und der üble Bote verschließt seine Augen und Ohren vor ihrer Not, und im Namen von Tod und Teufel erhebt er seinen Krummstab und befiehlt: Da sollst gebären!
Wo aber Menschen hungern, da gibt es kein Recht und keine Gerechtigkeit, auch keine Vernunft und keinen Frieden, schon gar keinen Frieden mit der Natur. Weil die Not kein Gebot kennt, und weil die zerstörte Natur bald auch den Menschen zerstört, und weil es keinen Frieden gibt, wo Hunger und Elend herrschen - deshalb ist eine Kirche, die auch den ärmsten Völkern noch immer das Gebären befiehlt, zu einer Gefahr für den Weltfrieden geworden.
Und da ist auch sie - die Seuche. Wieder einmal ist sie über uns gekommen als stete Bedrohung, und ich sehe klammheimliche Freude auf den Gesichtern der Kirchenfürsten: wenn sie in ihren Predigten Mitgefühl heucheln, während sie innerlich frohlocken. Ihren vertrockneten Körpern, so denken sie, kann die Krankheit nichts anhaben; ihnen wäre es recht, wenn die Menschheit für immer der Seuche ausgeliefert bliebe: damit ein lustloses Leben auch der übrigen endlich den Neid der Eunuchen besänftigt - jenen Neid, der sie quält, seit sie die Liebe zur Frau sich aus dem eigenen Leib geschnitten haben.
Solche Gedanken waren es, wie sie mir, dem Herausgeber dieser Aufzeichnungen, durch den Kopf gingen: wenn ich an unachtsamen Tagen erst Zeitung las oder Nachrichten hörte, und mich dann an den Schreibtisch zurückzog, um Tagebuch, Aufzeichnungen und Zeitungsmeldungen zu ordnen. Jetzt ist die Arbeit getan, und was daraus wird, liegt nicht mehr in meiner Hand: hier steh ich, ich kann nicht anders.
Ich trete zum Fenster und betrachte den Baum vor meinem Haus: eben noch heftig vom Wind geschüttelt, steht er nun wieder unbewegt, und keines seiner Blätter rührt sich.
So auch fühle ich mich: eine Zeitlang ist ein Sturm von Gedanken durch mich hindurchgeweht und hat mich geschüttelt; jetzt hat sich der Wind gelegt, und was ist in mir geblieben? Das Gefühl einer großen Heiterkeit.
Die Ruhe nach dem Sturm? denke ich, und betrachte die aufziehenden Wolken -

Hanjo Lehmann wurde 1946 in Berlin geboren. Er studierte Deutsch und Philosophie in Köln. 1977 bis 1980 war er Lektor für deutsche Sprache an der Universität Oviedo (Spanien), danach bis 1985 Lektor an der Tongji-Universität in Shanghai (China). Beschäftigung mit der traditionellen chinesischen Medizin. 1986 Niederlassung als Heilpraktiker in Berlin. Seit 1990 Medizinstudium an der Freien Universität Berlin. Er veröffentlichte mehrere Fachbücher, »Die Truhen des Arcimboldo« (1995) ist sein erster Roman.
Im Frühjahr 1847 wird in einer Schweizer Dorfkirche eine mysteriöse Truhe entdeckt. Luigi Calandrelli, ein junger Schlosser, der nach Wochen den Schließmechanismus ergründet, findet sich bald darauf im Vatikan wieder, wo er in den untersten Kellergewölben, in denen die geheimsten Akten lagern, Schlösser ähnlicher Bauart zu warten hat. Eine lebensgefährliche Arbeit, bei der er eines Tages verschüttet wird. Als er nach einer Rettungsmöglichkeit sucht, stößt er auf eine weitere Truhe und liest Pergamente, die darin seit siebenhundert Jahren verborgen waren. Zwanzig Jahre später vertraut er vor seinem Tod die Aufzeichnungen über diesen Fund einem deutschen Freund an. Damit beginnt auch für den Eisenbahningenieur eine Kette unerklärlicher Ereignisse, denn diese Papiere bedrohen den Machtanspruch des Vatikans.
Taschenbuch
ISBN13: 9783746615424 ISBN10: 3746615429
Aufbau Taschenbuch Verlag | 1999 | 699 Seiten | deutsch

Zustand:
Buch: Gebraucht - Mit starken Gebrauchsspuren -> Einband an den Rändern leicht angestoßen
mit Knicken und Kratzern, verzogen
Buchschnitt verschmutzt
Seiten teilweise verknickt


Katholische Kirche, Päpste, Mittelalter, Vatikan

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Dieser Artikel wurde am Montag, 02. Mai 2022 im Shop aufgenommen.



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